Dennoch war mir klar, dass der Kopf mitspielen muss, da man sonst verloren ist. Ich wusste: Ich muss meine Situationen hinnehmen, so wie sie ist und das Beste daraus machen.
Nachdem bereits meine Mutter nach ihrer Pensionierung zur Dialyse musste und bei mir schon vor 25 Jahren vererbliche Nierenzysten diagnostiziert wurden, war mir klar, dass auch ich irgendwann einmal als Dialyse- Patientin enden werde.
Doch dass ich so früh damit beginnen musste, nämlich mit 49 Jahren, damit habe ich nicht gerechnet. Ich war total fertig und die Erinnerungen an den Leidensweg meiner Mutter wurden wieder wach. Sie ist nach drei Jahren Dialyse verstorben, weil ihr Herz zu schwach war.
Wie es bei mir war? Nach regelmäßigen Kontrollen erfuhr ich an einem Donnerstag im Juni 2009, dass meine Nierenwerte schlecht sind. So schlecht, dass ich bereits vier Tage später, am 8. Juni 2009, mit der Dialyse beginnen musste. Nachdem ich die seltene Blutgruppe 0 negativ habe, wusste ich, dass ich lange auf eine Spenderniere warten werde müssen. Obwohl ich es erst nicht wollte, wurde mir bereits vor der Dialyse ein Shunt gelegt. Im Nachhinein bereue ich diese Entscheidung nicht und würde sie jedem empfehlen, da sich ein Katheder als Alternative mit Bakterien verunreinigen könnte.
Knapp fünf Jahre lang war ich drei Mal pro Woche für vier Stunden mit sieben Leidensgenossen in einem Raum im LKH Wolfsberg zur Dialyse. Eine lange Zeit, in der man sich mit den anderen anfreundet, sich gegenseitig aufmuntert, und manche sogar wie ein Familienmitglied ins Herz schließt.
Umso härter trifft es einen, wenn jemand plötzlich nicht mehr zur Dialyse erscheint und man hören muss, dass diese Person nicht mehr unter uns weilt. Solche Nachrichten haben mir immer sehr zugesetzt und mir das positive Denken und Durchhalten schwer gemacht.
Dennoch war mir klar, dass der Kopf mitspielen muss, da man sonst verloren ist. Ich wusste: Ich muss meine Situationen hinnehmen, so wie sie ist und das Beste daraus machen.
Doch das ist leichter gesagt, als getan. Vor allem, wenn man so eine schwierige Zeit durchmacht. Eine Zeit mit Nervenzusammenbrüchen, Zweifel, mit Ängsten – und mit zu wenig Kraft, um den Job weiterhin ausüben zu können. Doch ich habe nie aufgegeben und mir Hilfe gesucht. Bei einer Psychologin, mittels Homöopathie und Qi Gong, aber auch bei einer einfühlsamen Frau, die meine Blockaden erfolgreich gelöst hat.
Immer und immer wieder hoffte ich auf eine Niere, die zu meiner Blutgruppe passt. Eines Tages um die Osterzeit im Jahr 2014 kam abends um 20 Uhr ein Anruf. Zu dieser Zeit war ich gerade stationär im LKH Wolfsberg. Es hieß, eine Niere wäre für mich da. Eine Stunde später war ich bereits mit dem Rettungswagen unterwegs nach Wien. Die ganze Fahrt über habe ich nicht realisiert, was mit mir geschehen wird.
Erst, als ich in der Abteilung Akutdialyse angemeldet wurde, habe ich es realisiert und bin zusammengebrochen. Meine Magennerven haben verrückt gespielt und ich musste mit übergeben. Ein Arzt und eine Schwester haben sich einfühlsam um mich gekümmert, mich beruhigt und mir alles genau erklärt.
Wenige Stunden später musste ich bereits im OP sein, an das was danach passierte habe ich keine Erinnerung mehr. Um 6 Uhr früh bin ich schließlich aus der Narkose erwacht und alles war vorbei.
Gegen die Schmerzen habe ich am ersten Tag zwei Schmerzinfusionen bekommen, danach waren keine mehr nötig. Am zweiten Tag nach der Transplantation bin ich schon selbst aufgestanden und habe michgewaschen.
Nach zehn Tagen konnte ich bereits nach Hause, da meine Werte super waren (ich hatte einen Kreatinin-Wert von 1,1).
Die ersten drei Wochen fühlte ich mich schwach und müde und musste mich schonen. Danach ging es mir langsam immer besser und nach einem halben Jahr habe ich mich wieder fit gefühlt. Sodass ich schon bald wieder bei einer Veranstaltung der Selbsthilfegruppe teilnehmen konnte. Es war mir immer eine große Hilfe, auch während der Dialysezeit, dass man sich mit Leidensgenossen unterhalten konnte. Beim Austausch der eigenen Erfahrungen mit denen der anderen, wird man sich bewußt, dass man nicht allein ist mit seinen Beschwerden und Befürchtungen.
Ich kann jedem nur empfehlen den ersten Schritt zu wagen und sich einer Gruppe anzuschließen.
Meine Nieren-Transplantation ist mittlerweile rund ein Jahr her und es geht mir gut. Mein Kreatinin-Wert ist seither mit 1,1 bis 1,3 im Rahmen. Auch die Menge der täglichen Tabletten wird immer geringer.
Durch die schweren Jahre hat mir nicht nur meine Familie geholfen, sondern auch eine befreundete Krankenschwester sowie die Ärzte und Schwestern, die immer für mich da waren. Bei ihnen allen möchte ich mich auf diesem Weg herzlich für die Geduld und ihr Einfühlungsvermögen bedanken!
Brigitte Zarfl